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RechtusFettus

Hurr durr ich bin dezis

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1

Dienstag, 20. Februar 2018, 21:15

Eure Familie

Es gibt bereits Eltern, Großeltern und Geschwisterthreads, aber irgendwie keinen zur familiären Situation an sich, weswegen ich mal einen neuen Thread dazu eröffne.

Ohne groß um den Brei herumzureden um einen geeigneten Eröffnungspost zu verfassen, möchte ich einfach mal damit beginnen, meine Gedanken zu meiner familiären Situation in letzter Zeit niederzulegen.
Es geht mir absolut beschissen.
Ich hab es ja schon mehrmals ein wenig angedeutet beziehungsweise wissen es ein paar von euch - meine Mutter ist vor ein paar Monaten nach langer Krebskrankheit gestorben. Das Allein ist es nicht das mich beschäftigt, viel mehr ist es das, was drumherum geschieht, beziehungsweise was bis zu diesem Punkt geschehen ist.
Meine Mutter hat sich relativ früh von meinem Vater scheiden lassen. Ich glaube, ich war damals 12 oder so. Jedenfalls noch recht Vorpupertär. Meine (Zwillings)Schwestern sind 3 Jahre älter als ich, was heißt, dass diese zu dem Zeitpunkt eigentlich mitten in der Pupertät waren. Die Scheidung damals hat uns 3 sehr sehr belastet; ich bin immer schlechter in der Schule geworden, was dazu geführt hat, dass ich vom Gymnasium auf die Realschule abgestuft wurde. Mit der Zeit hat mich nichts mehr gejuckt und ich wollte einfach nurnoch allein sein; Mobbing war in der Schule an der Tagesordnung (Wer will schon mit einem Mof wie mir befreundet sein) - es ging sogar so weit, dass ich mehrmals Suizidpläne hatte. Ständig standen wir unter dem Druck meiner Mutter, die damals schon irgendwie krank war.
Krank ist ein falsches Wort. Ich denke eher, es war das Verlangen danach, wieder unabhängig zu sein. Jung zu sein. Sie hatte immer mal wieder komische neue Typen als "Freund" angeschleppt, mit denen wir (Kinder) dann irgendwie zurecht kommen mussten. Sie fing das Trinken an und wir wussten nicht, was wir tun sollen. Mit 15, meine Schwestern gerade frisch 18 geworden, haben wir dann versucht, unsere Oma (mütterlicherseits) auf die Lage aufmerksam zu machen, indem wir ihr, als Beweis dass unsere Mama trinksüchtig geworden ist, 4 leere Tetrapacks Wein gezeigt haben und unsere Seele aus dem Leib geheult haben.

Sie hat es nicht interessiert.

Das war dann irgendwie auch der Zeitpunkt, an dem meine Schwestern kurzerhand in einer Mitternachtsaktion die Sachen gepackt haben und verschwunden sind. Ich war allein. Mit meiner Mutter.
Das ging dann eine ziemlich lange Zeit lang so. Ich war frustriert, ich war wütend, und ich war müde; müde von Allem. Ich konnte nicht mehr. Ich habe oft - sehr oft - die Schule geschwänzt um einfach schlafen zu können, irgendwann hat mein Opa das dann herausgefunden und man hat mich zum Psychologen geschickt, welcher dann irgendwie 3 Stunden mit mir über Gaming geredet hat und meinte, das wäre das Hauptproblem. Aber das war es nicht, das wusste ich, aber ich wollte nicht sagen was wirklich los ist. Ich hatte Angst; es war mir peinlich und ich wollte niemanden in die Situation ziehen. Meine Mutter musste für ein halbes Jahr ins Krankenhaus und ich wurde Allein in der Wohnung gelassen, mit meiner Oma über mir die mir einmal am Tag essen gemacht hat. Den Rest des Tages hab ich am PC verbracht. Anrufe vom Krankenhaus hab ich ignoriert - es war mir scheissegal.

Als meine Ma dann aus dem Krankenhaus gekommen ist war sie eine komplett andere Person. Oder vielleicht hat sie es gespielt, wer weiß. Das Trinken hat sie komplett aufgehört und als Hobby hatte sie das Stricken für sich gefunden. Komplettes Gegenteil der Frau, die spät Abends torkelnd mit Motorradhelm nach Hause gekommen ist und mich gefragt hat ob ich allen Ernstes immer noch da wäre.
Irgendwann mit 18 oder 19 oder so hab ich dann ne Ausbildung beim Böhm angefangen. Recht spät, aber immerhin bin ich ja zwei Mal sitzen geblieben. Das hat mir geholfen mich zu öffnen, zu reden, die Welt zu geniessen wie sie ist. Meine Ma hatte einen richtigen Partner gefunden, der bis an ihr Lebensende bei ihr war. Mir ging es gut. Bis die Nachricht kam dass sie Lungenkrebs im Endstadium hat.
Ich habe meinen Job aufgegeben. Ich wollte für sie da sein. Trotz Allem was passiert ist wollte ich, dass ich sie in guter Erinnerung behalten würde. Aber ich konnte es nicht übers Herz bringen, sie beim Sterben zu sehen. ALso habe ich mir eine Wohnung gesucht und bin umgezogen. 2 Monate Später haben mich meine Schwestern per Telefon benachrichtigt, unsere Mutter sei jetzt tot. Am eigenen Blut in der Lunge erstickt.

Ich wusste nicht, was ich fühlen soll, ich weiss es immernoch nicht.

Letzten Sonntag hat meine Oma ihren Geburtstag gefeiert. Es war ganz nett, aber als meine Schwestern dann vorzeitig gegangen sind hat sie folgendes gedroppt.

"Ja also die Franziska und die Saskia (Meine Schwestern), die erreichen ja wirklich was im Leben. Die Saskia hat bald einen Doktortitel, find ich echt toll, dass die so viel aus sich machen.

Bei Nico kannst du ja sowas nicht erwarten. Da kann man auch lange drauf warten bis der sich mal meldet."

Ich bin wortlos gegangen.






Fickt euch.

Evil Spatula

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Dienstag, 20. Februar 2018, 21:45

Ich... weiß nicht wie ich darauf reagieren soll. Ich bin schockiert. Tut mir auf jedenfall sehr Leid für dich. Muss schwer sein.

Livesgood

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Dienstag, 20. Februar 2018, 21:56

yoooooo, deine oma ist crap

Danny8247

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4

Dienstag, 20. Februar 2018, 22:24

Ich hatte schon immer eine sehr kleine Familie: Abgesehen von meiner Schwester (5 Jahre jünger als ich), meinen Eltern und Großeltern hat meine Mutter noch eine Schwester und mein Vater einen Bruder (er hatte nochmal einen, der ist allerdings schon gestorben, bevor ich überhaupt geboren wurde), und beide haben keine Kinder. Ja, ich hab tatsächlich weder Cousins noch Cousinen.

Trotzdem war mein familiäres Leben als Kind super. Ich hab mich immer sehr wohl gefühlt in meiner Familie und meine Kindheit war sowieso großartig und sorgenfrei. Meine Mutter hatte zwar schon immer Depressionen, aber sie hat das in meiner Kindheit immer erfolgreich vor mir versteckt, sodass aus meiner Sicht immer alles in Ordnung war. Ich werde meinen Eltern wirklich für immer dankbar sein für diese schöne Zeit.

Zu den Verwandten meines Vaters hatten wir kaum Kontakt. Seine Eltern waren geschieden und hatten beide neue Partner, aber die haben wir vielleicht gefühlt einmal pro Jahr besucht, später dann so gut wie gar nicht mehr. Den Bruder von meinem Vater hab ich auch nicht mehr gesehen, seit ich ein kleines Kind war. Mein Großvater väterlicherseits war auch nicht mein leiblicher Großvater, wie ich erst viel später erfahren habe. Die Eltern meines Vaters sind inzwischen beide verstorben. Warum wir so ein distanziertes Verhältnis mit ihnen hatten, weiß ich bis heute nicht.

Zu den Eltern und der Schwester von meiner Mutter hatten wir jedoch immer sehr guten Kontakt, auch wenn sie früher recht weit weg gewohnt hatten. Wir haben uns oft gegenseitig besucht und viel miteinander unternommen. Mein Opa ist dann leider 1999 gestorben, danach zogen meine Oma und meine Tante mehr zu uns in die Nähe. Seither sind das so gut wie die einzigen Kontakte zu meiner Verwandtschaft, die bis heute geblieben sind. Mit meiner Oma hatte ich schon immer ein sehr gutes Verhältnis und sie ist eine der liebenswürdigsten Menschen überhaupt. Inzwischen ist sie bereits 93 Jahre alt und lebt in einem Altersheim.

So schön und harmonisch meine Kindheit auch war, im Verlauf der Jahre 2014-2015 (es war ein eher schleichender Vorgang) hat sich mein Vater von meiner Mutter getrennt. Für meine Mutter, die ja sowieso schon psychische Probleme hat, war das natürlich ein riesiger Schock und das macht ihr natürlich auch heute noch zu schaffen. Nicht viel später bin dann auch ich nach Böblingen zu Dance gezogen und hatte ja auch anfangs ziemlich zu kämpfen mit der Situation, meine geliebte Kindheit hinter mir zu lassen und zu sehen, wie alles bildlich zusammenbricht.

Inzwischen ist es so, dass Dance und ich alle paar Wochen in die Schweiz fahren, um meine Mutter und meine Schwester für ein Wochenende zu besuchen und manchmal treffen wir uns noch mit meiner Oma (und meiner Tante) im Altersheim. Zu meinem Vater habe ich nicht mehr allzu viel Kontakt, ich seh ihn vielleicht alle paar Monate mal.

Wenn ich so darüber nachdenke, dass diese wunderschönen Zeiten aus meiner Kindheit nie wieder zurückkommen werden, werde ich schon immer etwas wehmütig. Aber ich hab mich jetzt auch an mein neues Leben hier gewöhnt und genieße es sehr, mit Dance zusammen zu wohnen. :love2:

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Schwammi09

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5

Mittwoch, 21. Februar 2018, 21:07

Mein Verhältnis zu meiner Familie ist gut und meine Kindheit war es ebenso. Wobei das Verhältnis zu meiner Mutter deutlich besser ist, als das zu meinem Vater. Mit ihm gibt es hin und wieder kleinere Probleme, die wohl ohne meine Mutter schlimmer gewesen wären. Zwischen meinen Eltern gab es auch mal ne Zeit in der sie ziemlich viel gestritten haben, aber da war ich schon Erwachsen und das ist mittlerweile wieder besser. Ich hab außerdem noch eine Schwester (dazu kommt irgendwann noch was im Geschwisterthread) und auch hier ist das Verhältnis gut.

Meine Großeltern hab ich alle 4 kennengelernt, sie sind aber bis auf eine Oma mütterlicherseits alle gestorben, als ich im Alter von 13-16 war. Auch hier gab es meist keine größeren Schwierigkeiten.

Mein Vater hat noch eine Schwester und ich von dieser Seite 3 Cousins. Mit ihnen hab ich als Kind viel gespielt und auch heute verstehe ich mich gut mit ihnen, wobei der Kontakt zu 2 von ihnen deutlich weniger geworden ist. Mit dem 3. bin ich richtig gut befreundet und das auch schon seit der Kindheit. Wir treffen uns immer noch so regelmäßig wie möglich (mindestens alle paar Monate). Die übrige Verwandtschaft von meinem Vater sehe ich einmal im Jahr auf nem Familientreffen. Die Stimmung ist hier sehr gut, es wird auch absolut nie über andere aus der Verwandtschaft gelästert.

Die Familie meiner Mutter ist da etwas anders. Hier ist das Verhältnis untereinander zwar auch gut, es wird aber durchaus ab und zu gelästert oder gibt kleinere Streitereien. Zu den Verwandten von meinem Opa ist der Kontakt leider weitgehend abgebrochen, wobei sich da im Moment wieder etwas tut. Ich hab auch nen Onkel von dieser Seite und bekomme dieses Jahr völlig überraschenderweise auch noch ne Cousine. Für mich steht wohl jetzt schon fest, dass das die schönste Nachricht des Jahres ist. :thumbsup:

Insgesamt hab ich auch eher ne kleine Verwandtschaft, bin aber sehr zufrieden mit ihr und mit meiner Kindheit, so wie sie war. :)

6

Donnerstag, 22. Februar 2018, 15:12

hey, rechtus, erstmal möchte ich dir dafür danken, dass du die geschichte mit uns geteilt hast, das war mit sicherheit nicht einfach für dich.

was deine mutter anbelangt, so kann ich verstehen, dass du ihr gegenüber sehr gemischte gefühle hegst. als dein vater nicht mehr bei euch war, hättest du sie am dringendsten gebraucht und sie war nur mit sich selbst beschäftigt. ich kann es auch vollkommen nachvollziehen, dass dich ihr zustand nicht gejuckt hat, als sie im krankenhaus war, schließlich ging es dir da schon seit jahren beschissen und keiner hat sich dafür interessiert, inklusive deiner mutter. dass du vor ihrem tod für sie da sein wolltest, zeigt mir aber auch, dass du sie nicht als grundsätzlich schlechten menschen ansiehst, sondern mit den jahren vielmehr gelernt hast ihre situation zu verstehen, bzw. zu erkennen, wie verzweifelt und traurig sie nach der trennung zu deinem vater war und irgendwie versucht hat, diese abgrundtiefe traurigkeit mit gelegenheitssex und alkohol zu verdrängen. natürlich rechtfertigt das ihr nachlässiges verhalten nicht, aber vielleicht kannst du ihr etwas vergeben.... vielleicht auch nicht, ich bin nicht in der position, deine sicht zu deiner mutter zu werten.

was deine oma anbelangt, so frage ich mich schon, wie eigentlich ihr verhältnis zu deiner mutter war. so wie du es beschreibst, wirkt es auf alle fälle ziemlich desinteressiert, schließlich war ihr die alkoholsucht ihrer eigenen tochter scheinbar scheißegal. aber generell wirkt sie emotional ziemlich blockiert, bzw. daraus resultierend emotionen auch ziemlich kalt gegenüber. ich denke, dass ihr schon von kindesalter an, das zeigen von emotionen als schwäche anerzogen wurde und dass es diese schwäche zu verachten gilt. deswegen kann sie dir gegenüber auch kein mitgefühl zeigen, sondern verurteilt dich dafür, dass du dich von dem erlebten so mitnehmen hast lassen (schließlich musste sie in ihrer kindheit wahrscheinlich auch alles runterschlucken um akzeptiert zu werden) so hat sie nur positive worte für deine schwestern übrig, die trotz eurer vergangenheit beruflich großes leisten und vereinbart dein berufliches "versagen" mit deinem ohnehin schon verdorbenen charakter. da sie für emotionen nichts übrig hat, ist beruflicher erfolg auch so relevant für sie und ihr wertesystem. aufgrund ihrer fehlenden empathie fehlt ihr auch jede selbstreflexion, so verurteilt sie dich dafür, dass du dich nie meldest, denkt aber nicht daran, dass ihr verhalten das selbst verschuldet hat, schließlich ist es an dir, respekt vor älteren zu zeigen und dass du das nicht tust, bestätigt sie einfach darin, dass du ein schlechter mensch bist. natürlich kenne ich deine oma nicht und ich musste hier jetzt viel spekulieren, aber sie scheint ein gutes beispiel dafür zu sein, wie eine konservative, strenge erziehung, den charakter eines menschen verderben kann.

und jetzt stehst du da, alleine und von den meisten leuten unverstanden. auch wenn deine oma oder andere leute es nicht verstehen und nie verstehen werden - es ist normal, nicht sofort mit allem fertig zu werden. es ist normal, nicht alles einfach wegzustecken und sich voll auf seine berufliche situation zu konzentrieren. und wenn deine oma dich nie wieder liebt, weil du sie nicht per se verehrst und weil du keinen doktortitel hast - dann scheiß einfach auf sie. jetzt ist es an dir, die letzten jahre revue passieren zu lassen und zu entscheiden, mit wem du noch kontakt halten willst, wer dir in deinem leben gut tut und wer schlecht für dich ist... und dann eben auf diese personen zu scheißen, auch wenn sie teil deiner familie sind.

ich bin froh, dass du heute trotz allem da bist, wo du heute stehst. ich hoffe, dass du weiterhin den wert des lebens und deiner person unabhängig von deiner familie erkennst und dir ein besseres leben aufbauen kannst, weit weg von dem, was dich in deinen jugendjahren so belastet hat.

Sandy

[ˈpɪtsa]

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7

Donnerstag, 22. Februar 2018, 18:26

Genauso wie mein lieber Vorredner, der Hengst, kann ich nur zustimmen und eigentlich alles das unterstreichen, was er dir gerade vermittelt hat. Eigentlich wollte ich schon viel früher auf diesen Post antworten, aber da ich überhaupt keine Zeit hatte einen Beitrag zu posten, wollte ich hier nicht einfach was halbherziges reinschieben.

Ich kann deine Gefühle sehr, sehr gut nachvollziehen. Ohne den Vater zu leben ist eine Sache - eine sehr, sehr schlimme. Mein Vater hat nicht uns verlassen, sondern wir irgendwie ihn. Meine Mutter wollte wieder zurück in ihr Dorf, ich war damals 8 (2006) und als sie gesagt hat "Wir ziehen nach Freiberg" (mir sagte der Ort damals gar nichts) und ich fing erstmal an zu lachen und nahm sie nicht ernst und dann meinte sie "doch, ehrlich jetzt" und grinste. Ich weiß bis heute noch, dass ich ganz laut "NEIN ICH WILL NICHT" geschrien habe und angefangen zu weinen.

Bevor das überhaupt schlimmste in meinem Leben passiert ist, waren wir eigentlich ganz glücklich in Köln. Na ja, so dachte ich jedenfalls. Ich war ja noch ziemlich unbeholfen und klein, wusste nicht was WIRKLICH hinter der Fassade abging. Anscheinend hat mein Vater jeden Tag nur getrunken und ist fast nie nach Hause gekommen. Meine große Schwester (damals 13) hat richtig viel Scheiße gebaut; ein fremdes Haus komplett zerstört (fette Hausparty, obwohl eigentlich nur auf die Katze aufpassen, aber whatever), wurde mehrfach von der Polizei abgeschleppt (24h Zelle). Aber davon habe ich nie so wirklich etwas mitbekommen. Immer wenn meine Mutter mich und meine Schwester ins Bett gebracht hat, ist sie nach oben zu der Großen gegangen und ich habe immer mit Tränen versucht einzuschlafen, weil ich das geschreie und geschlage gehört habe.

Auf jeden Fall zurück zum Ausgangspunkt: Wir sind wie gesagt wirklich umgezogen. Ich weiß nicht mehr genau, was ich getan habe, aber habe mich still ins Auto gesetzt, obwohl ich einfach nicht wollte. In Freiberg (dieses Dorf....) ist meine Mutter dann mit einem neuem Mann zusammengekommen und hat diesen auch geheiratet. In der Schule war es alles andere als gut: Ich war in der zweiten Klasse, hatte in Köln vom Zahlenraum von 1-20 addiert und subtrahiert. Dort haben die schon multipliziert und dividiert. Ich kam nach Hause und fragte, was diese Wörter bedeuten. Ich glaube, dass genau das ausschlaggebend war für meine scheiß Dyskalkolie. Ich schrieb nur vieren und fünfen in Mathe; die Lehrer hielten mich für zu inkompetent. Dafür war ich in Englisch schon immer die Glänzende 1.

Trotzdem wurde mir nach der vierten Klasse gesagt "Das Kind besitzt durchschnittliche Intelligenz, dass gehört nicht aufs Gymnasium". Bin aber trotzdem gegangen, diese fette F*tze von Lehrerin hat mich gehasst, hatte immer ihre scheiß Lieblinge mit 1,0 Durschnitt. Auf jeden Fall bin ich trotzdem aufs Gymnasium gegangen. In diesem Jahr ist auch mein Vater gestorben (Krankheitsbedingt, wurde mir erzählt) nach heutigem Wissen weiß ich, dass er sich umgebracht hat, wahrscheinlich, weil er uns vermisst hat (und ich gebe mir ehrlich gesagt heute noch die Schuld daran).

Als ich in der fünften war, hatte ich überraschenderweise eine 3!! in Mathe (dann nie wieder). Ich war... nun ja, ziemlich bedürftig so wie ich äußerlich aussah. Alle Jungs meiner damaligen Klasse (die übrigens immer noch so aussehen wie früher) sagten mir, ich sei so hässlich, mich würde niemals ein Junge auch nur anfassen. Also, solche Bemerkungen machten mich häufig fertig, obwohl ich nie ein Loser oder Einzelgänger war, nur die Jungs haben mich gehasst und fanden mich eben extrem hässlich (ich glaube sogar, desswegen habe ich so eine große Abwertung zu Jungs).

Ich habe diese Klasse sowieso gehasst, von daher. Im Jahr 2009 wurde mein Stiefvater (den ich auch sehr gerne hatte) mit einem Glioblastom diagnostiziert. Meine Mutter wusste schon "Jetzt ist Ende". Wir pflegten ihn einschließlich bis ins Jahr 2011, wo er schließlich verstarb. Ich war dabei und habe zum ersten (und zum Glück zum letzten Mal) einen Menschen sterben sehen. Die Schuljahre vergingen, ich wurde älter. Von meiner großen Schwester, hate ich seit Jahren nichts gehört oder siw eben gesehen. Bis dann plötzlich die Meldung kam, sie liegt in der Uniklinik schwer verletzt. Meine Mutter ist direkt 600km dahin gefahren, wir sind dageblieben. SEi sei vom Balkon "gestürtzt". Auch hier wurde uns die Wahrheit verschwiegen, denn sie hat sich eigentlich versucht, dass Leben zu nehmen (für mich natürlich wieder einmal ein Schicksalsschlag). Auch sie ist bis heute Alkoholsüchtig, aber sie lebt. Wir holten sie nach Freiberg und sie verbrachte drei Monate in der Reha.

2014 hat meine Mutter dann heimlich Häuser gesucht. Ich war sehr skeptisch geworden. An einem Abend sagte sie zu mir "Jo, wir ziehen wieder nach Köln". Ich hatte ein so krasses Déjà-vu, dass glaubt mir keiner. Ich war wieder total dagegen, hatte doch seit Jahren wieder neue Freunde. Ich war am Boden zerstört. Aber auch hier habe ich mich wieder ins Auto gesetzt und bin wieder "nach Hause".

Ich lebe jetzt seit 2014 wieder in NRW. Aber ja, auch ich wurde älter und älter. Ich habe hier schon öfter geschrieben, dass mit 15/16 meine Absturzphase begann, in welcher ich mich habe nur feiern, bumsen, besaufen lassen. Ich war echt ein Wrack. Das war aber ich. Meine Mutter (zu der ich bis heute KEINE mütterliche Bindung aufbauen konnte), hat mich immer geschlagen, beschimpft wenn ich nach Hause kam. Ich war der schwarze Fleck in der Familie. Immer hieß es "Das ist doch nur eine dreckige Hure, auf die kannst du dich nicht verlassen". So gehts mir wie dir, Rechtusbessos, die Familie hielt mich (immer noch) für inkompetent für irgendwas. Die ist doch kein Akademiker wie wir alle, die schafft das nicht.

Es ist wirklich zum kotzen, nie auch wirklich nie einmal diese Anerkennung oder Lob erfahren zu können. Vorallem nach all dem, was passiert ist. Klar habe ich nen Knacks, aber hat das nicht jeder? Deine Oma reflektiert genau das, was meine Familie von mir hält. Ich würde dieser Frau keines Blickes würdigen. Du hast dich bis jetzt durchgekämpft, aber genau das sieht eben keiner; sie bemerken nicht, dass es einen eigentlich auffrisst, obwohl man lächelt, wenn man einfach nur heulen kann. Ich bin furchtbar traurig, dass ich niemanden in der Familie habe, dem ich vertrauen kann; der wirklich ehrlich ist. Es ist wirklich zum reiern.

Chrdrenkmann

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8

Dienstag, 6. März 2018, 21:34

Wie man so schön sagt: Es ist kompliziert.

An sich habe ich absolut gar nichts gegen irgendjemanden aus meiner Familie, allerdings verspüre ich auch nichts dabei, jemanden zu besuchen. Im Gegenteil: Als Kind wollte ich immer so schnell wie möglich wieder nach Hause, was dazu führte, dass man meinen Eltern schlechte Erziehung unterstellt hat. Warum das so ist, kann ich nur mutmaßen. Eventuell spielte da mein Asperger-Syndrom eine Rolle, eher war mir aber auch einfach bloß langweilig und ich wollte wieder vor den PC.

Heutzutage ist es selbstverständlich nicht mehr so, dass ich ständig drängele. Dadurch, dass ich ohnehin so selten zu Besuch komme (nämlich nur noch zu größeren familiären Anlässen wie runden Geburtstagen oder sonstigen Feiern), vermeide ich es, ständig zu fragen, wann wir denn gehen. Ich konnte mir zwar nicht abgewöhnen, ab und zu auf die Uhr zu schauen, was nicht kommtarlos vorbeiging, allerdings schätzt man nun deutlich, dass ich mich so im Griff habe und auch mal für einige Stunden ohne Gejammere bleibe.

Meine Ungeduld ändert aber nichts darin, dass mich jeder aus meiner Familie sehr gut leiden kann. Umgekehrt gilt das natürlich ebenso. Ich bin jedoch eine Niete im Führen von Smalltalk, weshalb ich nie groß etwas zu sagen habe.

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Evil Spatula

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Dienstag, 6. März 2018, 23:13

Ich dachte, ich schreibe auch mal was. Ich bin immernoch 13, und mir ist familiär noch nicht gerade viel passiert. Die meisten meiner Verwandten wohnen im selben Dorf wie ich. Ich habe eine Mutter, einen Vater, einen jüngeren Bruder, 2 Großmütter, 2 Großväter, einen Onkel und 2 Tanten. Zu all denen habe ich sehr guten Kontakt. Den ersten Tod in meiner Familie habe ich 2014 erlebt. Es war abends, kurz vor 9. Wir haben einen Film mit meinen Eltern geschaut, als plötzlich ein Anruf von meiner Oma kam und meine Eltern schnell zu ihr gefahren sind. Sie kamen nach ungefähr 40 Minuten zurück und erzählten uns dass usere Uhrgroßmutter gestorben ist. Wir waren alle sehr traurig, es war das erste Mal dass ich jemanden aus der Familie (von Haustieren abgesehen) verloren hatte, es hatte mich auch dementsprechend sehr getroffen. Meine Oma hat mir noch erzählt dass sie ein paar Schwestern hat, von denen ich aber keine einzige kenne. Mein Opa hat ebenfakls 3 Brüder, die ich gut kenne. Einer von denen hatte auch einen Enkel bei dem wir uns immer bis wir 5 waren getroffen haben, dann hab ich ihn 7 Jahre kaum gesehen und dann kam er zufällig 2016 auf meine Schule. Ich wriß noch dass ich einen Uhrgroßvater hatte der (glaube ich) 1989 gestorben ist, und die Eltern von meinem Opa die soweit ich weiß 2002 gestorben sind. Momentan ist meine familiäre Situation sehr gut, klar wird manchmal mit den Eltern diskutiert aber ich schätze dass sollte einen in meinem Alter nicht wundern.

Livesgood

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10

Freitag, 9. März 2018, 17:24

Schon scheisse, wenn mein Vater meine Mutter verlassen hat um ein besseres, eigenständigeres Leben zu leben.
Schon scheisse, wenn meine Mutter in der Schweiz umzieht, damit ihr Sohn die Chance hat, seinen Vater regelmässig zu sehen.
Schon scheisse, wenn sie deswegen ihre Familie verlassen muss, die sich deshalb gegen sie wenden und stets mit Standardsprüchen kommen, wie: "Na, in der Schweiz hast du doch dein grosses Glück gefunden."
Schon scheisse, wenn ihr Linguistik-Abschluss hier nichts bringt, weil sie nie die Zeit hatte, Deutsch zu lernen.
Schon scheisse, wenn mein Vater im Gegensatz einen gültigen Abschluss hat, seine ganze Familie hier in der Schweiz sowie mich, wann immer er mich besuchen will, während meine Mutter hier in Isolation lebt.
Schon scheisse, wenn meine Mutter komplett unabhängig ihren Job als Raumpflegerin macht und wahrscheinlich die beste Raumpflegerin in der Nähe ist (Sie hat einen Ordnungswahn), aber mit dem Stundenlohn gerade noch so über die Runden kommt.
Schon scheisse, wenn sie einen Myom diagnostiziert bekommen hat, von Ärzten hier irgendwelche immunsystem-abschaltende Medikamente dafür bekam, die ihr nur mehr Ärger gaben, sowie eine Arthrose mit 43 Jahren, obwohl ein Jahr später ein Arzt gefunden wurde, der sie erfolgreich operieren konnte.
Schon scheisse, wenn sie hier keine Freunde hat, weil sie für mich gearbeitet hat, sie ihre Wochenenden nur vor dem Fernseher und vor Zeitungsartikel verbringen kann und ich eigentlich der einzige Grund bin, wieso sie noch lebt.
Schon scheisse, wenn ich der Einzige bin, der noch was für sie machen kann, ich wahrscheinlich nie so einen Ausmass an Liebe von einer anderen Mutter erfahren hätte und mich diese Schuld innerlich zerbricht.
Schon scheisse, wenn ich noch mindestens 3 Jahre brauche um meiner Mutter finanziell zu helfen.

Mein Vater? Er ist heute in der Domenikanischen Republik umgezogen und verbringt den Rest seines Lebens in seinen 2 Villen...

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11

Donnerstag, 17. September 2020, 01:45

So dann schreib ich hier auch mal was: Als ich ungefähr 11 war (denk ich. Vielleicht auch nahe 12) hatten sich meine Eltern scheiden lassen. Das war so der Punkt wo es irgendwie Aus war. Die schöne Zeit davor? Die spielte natürlich keine Rolle mehr. Es war auf ein Schlag vorbei. Natürlich hat es mich beschäftigt aber so wirklich belastet hat es mich tatsächlich erst später. Meine Eltern hatten dann halt neue Lebenspartner. Ich hab dadurch auch Halbgeschwister. Die leben bei meinem Vater. Ich durfte mein Nachnamen behalten zum Glück. Das ist das einzig Positive was daraus entstanden ist. Ich hab Halbgeschwister. Ist ein tolles Gefühl. Also väterlicherseits find ich es in Ordnung wie es sich entwickelt hat. Also ich lebe bei meiner Mutter und ihrem neuen Partner. Irgendwann bin ich dann auf ein Internat gegangen. Ist nicht so das ich da freiwillig hingehen wollte aber ich wohnte halt zu weit weg von dieser neuen Schule wo ich war. Weiß zwar nicht wieso ich das jetzt erzähle aber irgendwie hat es doch etwas mit Familie oder so zutun. Wie dem auch sei. Irgendwann sind wir umgezogen in die Stadt in der ich geboren wurde. Und wir haben das Haus was meinen Großeltern (die alle schon in Frieden ruhen) gehörte verkauft. Find ich BESCHISSEN aber mich hat man natürlich ignoriert. Es gab so einen Streit mit einem alten saufenden Nachbarn. Anstatt ihn zu ignorieren hat meine Familie mütterlicherseits dann ebenfalls mit Beleidigungen um sich geworfen. Ich bin dann nicht mehr rausgegangen weil ich mich GESCHÄMT hab für meine Familie. Und irgendwann ist dieser Nachbar dann gestorben und dann kamen wieder solche Kommentare. Keine Schlimmen aber keine wirklich netten. Ich meine niemand verdient es zu sterben. Da dachte ich mir bis heute ob sich meine Familie mütterlicherseits verändert hat oder enttarnt wurde als das was sie wirklich waren. Es ärgert mich. Ich hab noch Onkel und Tante die sich nicht verändert haben und wenn von denen jemand da ist ist es nicht ganz so schlimm. Also ja ich hab ne zerbrochene und verdorbene Familie. Ein Teil von mir hält noch zu ihr und ein anderer Teil sagt mir ich soll mich verpissen und nicht zurücksehen und das ich irgendwann eine eigene Familie gründen sollte. Aber was wenn ich dann ebenfalls in dieser Situation bin und diese Familie ebenfalls zerbricht? Keine Ahnung. Auf jeden Fall ist es ein unfassbar beschissenes Gefühl ein Scheidungskind zu sein und das einzige was mich davon abhält komplett den Verstand zu verlieren ist der Fakt das es noch andere gibt. Ich bin schon vielen Leuten begegnet die ebenfalls in dieser Situation sind. Ohne die wär ich ein komplettes Wrack. Ein Emo-kiddie das die Welt brennen sehen will. Ich bin zwar trotzdem leicht gebrochen aber ich bin stark geblieben. Die 2010er Jahre waren so ziemlich der Tiefpunkt für mich. Aber dafür geht es ab jetzt bergauf denk ich und hoffe ich. Immerhin hatte ich eine Familie und die guten Zeiten existieren in meiner Erinnerung. Ich will die Zeit nicht zurückdrehen. Was passiert ist ist passiert. Und ich werd dazu jetzt nichts mehr schreiben. Wenn mir noch was einfällt häng ich es einfach hier noch dran. Ich kann nur sagen genießt es eine intakte Familie zu haben und allen Eltern möchte ich mit auf den Weg geben: „Scheidungen sind nicht der Richtige Weg. Sie sollten nur die allerallerallerallerletzte Option sein. Für die Kinder! Es soll ihnen gut gehen! Sie sind die Zukunft!“. Und sry falls dieser Beitrag bisschen seltsam geschrieben ist aber ich hab ihn aus meiner Seele herausgeschrieben. Mir egal was andere davon denken. Und jetzt wünsch ich euch eine gute und gesegnete Nacht. Und dann starten wir gestärkt in einen neuen Tag in unserem einzigartigen Leben. Lasst uns gemeinsam etwas daraus machen.

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Extramaster

unregistriert

12

Donnerstag, 15. Oktober 2020, 14:44

Wie die Meisten von euch wissen, ist meine Mutter vor kurzem an Krebs gestorben und wurde nicht mal 60 Jahre alt. Es war ein Schock für unsere ganze Familie und wir alle sind immer noch tief betroffen. Es fing alles im Frühjahr letzten Jahres an. Da kam auf einmal ein Anruf von ihrem Hausarzt, der ihr nach einer Routineuntersuchung mitteilte, dass ihre Leberwerte erhöht sind. Meine Mutter saß an dem Tag völlig versteinert auf dem Sofa und wollte das nicht wahrhaben. Ein paar Tage später erhärtete sich der Verdacht eines Tumors. Um sicher zu sein, kam sie für einige Zeit ins Krankenhaus und da bestätigte sich der Verdacht. Ich werde niemals vergessen, wo mein Vater und ich sie das erste Mal dort besucht haben. Als wir in das Krankenzimmer gekommen sind, fing sie sofort an zu weinen, weil sie Angst hatte uns zu verlieren. Sie malte sich schon das Schlimmste aus. Es hat mich so hart getroffen und ich war bestürzt. Ihre Augen waren zu dem Zeitpunkt bereits gelb, was ein Indiz dafür war, dass der Tumor schon im Endstadium war. Nur da wusste das noch keiner von uns. Dann vergingen wieder einige Tage und sie ist dann erneut in ein anderes Krankenhaus gekommen. In eben diesem sollte der Tumor eigentlich vollständig entfernt werden. Am Abend vor der OP haben wir sie nochmal besucht und ich weiß noch, wie sie in einem Gangbereich auf einem Stuhl saß. Wir saßen uns kurz zu ihr und haben ihr Mut zugesprochen. Bei der Verabschiedung kamen ihr fast die Tränen, weil sie Angst vor der OP hatte. Ich ärgere mich schwarz, dass ich nicht zurückgegangen bin und sie in den Arm genommen hab und gesagt habe, dass alles gut wird. Das war nur einer von vielen Fehler. Aber dazu erzähle ich später noch mehr. Am Tag darauf war es schließlich soweit und ich habe mir so viele Hoffnungen gemacht. Mein Vater und ihr Vater sind nach der OP ins Krankenhaus gefahren, um zu schauen was Sache ist. Sie kamen zurück und ihr Vater musste sich im Treppenhaus am Geländer festhalten und war über das, was er erfuhr schockiert. Mein Vater sagte mir dann, dass es um meine Mutter ganz schlecht aussieht und sie nur noch wenige Monate hat. Sie hatte bereits Lymphknotenmetasen und mehrere Metastasen in den Knochen. Die OP war demnach gescheitert und am selben Abend brach ich mehrmals in Tränen aus und konnte das nicht glauben. Ich habe ihr dann auch gesagt, dass ich Angst um sie und um meine Zukunft hab. Sie meinte zu mir, dass sie das versteht und ich ruhig bleiben soll. Die Nachricht gab mir auf jeden Fall Kraft für die nächste Zeit. In den Monaten darauf musste sie immer mal wieder ins Krankenhaus, um sich behandeln zu lassen. Doch im Juni dieses Jahres ging wirklich alles den Bach runter. Der Tumor kam mit voller Wucht zurück und hat ihren Körper immer mehr geschwächt. Sie entschloss sich keine Chemotherapie mehr zu machen und passive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie wohl ahnte, dass sie nicht mehr lange lebt. Ihr Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Sie hatte nachts Halluzinationen und tagsüber schlief sie durchgehend. Ihre Blutwerte waren katastrophal schlecht und ein Arzt machte den Vorschlag sie auf eine Palliativstation zu bringen, damit man das Problem mit Blutkonserven wieder in den Griff bekommt. Klappte auch vorübergehend, doch Ende Juli kam ein Anruf vom Arzt. Er hat meinem Vater gesagt, dass er schnell kommen soll, da es zu Ende geht. Er kämpfe danach ebenfalls mit den Tränen, aber hatte zum Glück noch die Kraft zu ihr zu fahren. Kurz vor Schluss saßen ihre Eltern am Krankenbett. Ich habe mir sagen lassen, dass sie an dem Morgen sehr laut geatmet hat. Dieses Atmen wurde kurz darauf immer unregelmäßiger, immer langsamer. Genau in dem Moment ist sie gestorben. Vermutlich war es Leberversagen, weil sich auch schon vorher in dem Organ viel Wasser ansammelte. Mein Vater überbrachte mir dann die traurige Nachricht. Ich konnte das nicht fassen und habe es erstmal einem ehemaligen Schulfreund erzählt. Er wusste auch nicht, was er dazu sagen soll und war genauso betroffen wie ich. Danach versuchte ich das zu realisieren, war für mich kaum möglich. Glauben konnte ich das an dem Tag noch nicht.

Eins ist Fakt, es hat hier definitiv die falsche Person getroffen. Meine Mutter war so ein lebensfroher Mensch. Sie hat ihr Leben geliebt und war das komplette Gegenteil von mir. Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen und mit ihr tauschen wollen. Ich wäre viel lieber an dieser Krebserkrankung verreckt, als sie. Sie genoss ihr Leben und ich verschanze mich jedes mal hinter geschlossenen Türen. Das wird sich auch das ganze Leben nicht ändern, dafür kenne ich mich zu gut und ich weiß, dass ich im realen Leben auf Dauer nicht zurecht komme. Es gab auch so Momente mit ihr, die ich nie vergessen kann. Meine Mutter wollte immer, dass ich eine Ausbildung in Vollzeit mache, was ich stets ablehnte. Eben aufgrund der viel zu hohen Belastung. Wollte sie nie akzeptieren und ich war eines Tages so wütend darüber, dass ich zu ihr sagte, du kriegst deine gerechte Strafe. Ich habe damit auf ihr Ende angespielt. Da war sie schon krank. Das sind Sätze, die ich mir nie verzeihen werde und mit denen ich nun immer hadern muss. Wollte so etwas nie zu ihr sagen, aber in meiner Wut flutschte das einfach so aus mir raus. Oder einige Wochen vor ihrem Tod begegneten wir uns nachts im Haus und sie hat mich ziemlich erschreckt. Ich bin dann genervt wieder in mein Zimmer gegangen, weil ich auf sie nicht vorbereitet war. In dem Augenblick hätte ich sie lieber in den Arm nehmen und ihr sagen müssen, wie tapfer sie die letzten Monate war. Die Chance habe ich nun verpasst und es regt mich kolossal auf in dem Moment nicht anders reagiert zu haben. Also ja, das Leben ist einfach scheiße ungerecht und ich will sie wiederhaben. Dass ich sie nie wieder sehe, zerreißt mich innerlich. So richtig begriffen habe ich das nicht. Dauert alles noch.

Der Post sollte ursprünglich in den Salzigen Spucknapf, weil es für mich schon privat ist. Der Zugang wird mir jedoch leider verwehrt. Und nein, ich meine nicht den auf Discord. :-^-:

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Donnerstag, 15. Oktober 2020, 15:01

Wie die Meisten von euch wissen, ist meine Mutter vor kurzem an Krebs gestorben und wurde nicht mal 60 Jahre alt. Es war ein Schock für unsere ganze Familie und wir alle sind immer noch tief betroffen. Es fing alles im Frühjahr letzten Jahres an. Da kam auf einmal ein Anruf von ihrem Hausarzt, der ihr nach einer Routineuntersuchung mitteilte, dass ihre Leberwerte erhöht sind. Meine Mutter saß an dem Tag völlig versteinert auf dem Sofa und wollte das nicht wahrhaben. Ein paar Tage später erhärtete sich der Verdacht eines Tumors. Um sicher zu sein, kam sie für einige Zeit ins Krankenhaus und da bestätigte sich der Verdacht. Ich werde niemals vergessen, wo mein Vater und ich sie das erste Mal dort besucht haben. Als wir in das Krankenzimmer gekommen sind, fing sie sofort an zu weinen, weil sie Angst hatte uns zu verlieren. Sie malte sich schon das Schlimmste aus. Es hat mich so hart getroffen und ich war bestürzt. Ihre Augen waren zu dem Zeitpunkt bereits gelb, was ein Indiz dafür war, dass der Tumor schon im Endstadium war. Nur da wusste das noch keiner von uns. Dann vergingen wieder einige Tage und sie ist dann erneut in ein anderes Krankenhaus gekommen. In eben diesem sollte der Tumor eigentlich vollständig entfernt werden. Am Abend vor der OP haben wir sie nochmal besucht und ich weiß noch, wie sie in einem Gangbereich auf einem Stuhl saß. Wir saßen uns kurz zu ihr und haben ihr Mut zugesprochen. Bei der Verabschiedung kamen ihr fast die Tränen, weil sie Angst vor der OP hatte. Ich ärgere mich schwarz, dass ich nicht zurückgegangen bin und sie in den Arm genommen hab und gesagt habe, dass alles gut wird. Das war nur einer von vielen Fehler. Aber dazu erzähle ich später noch mehr. Am Tag darauf war es schließlich soweit und ich habe mir so viele Hoffnungen gemacht. Mein Vater und ihr Vater sind nach der OP ins Krankenhaus gefahren, um zu schauen was Sache ist. Sie kamen zurück und ihr Vater musste sich im Treppenhaus am Geländer festhalten und war über das, was er erfuhr schockiert. Mein Vater sagte mir dann, dass es um meine Mutter ganz schlecht aussieht und sie nur noch wenige Monate hat. Sie hatte bereits Lymphknotenmetasen und mehrere Metastasen in den Knochen. Die OP war demnach gescheitert und am selben Abend brach ich mehrmals in Tränen aus und konnte das nicht glauben. Ich habe ihr dann auch gesagt, dass ich Angst um sie und um meine Zukunft hab. Sie meinte zu mir, dass sie das versteht und ich ruhig bleiben soll. Die Nachricht gab mir auf jeden Fall Kraft für die nächste Zeit. In den Monaten darauf musste sie immer mal wieder ins Krankenhaus, um sich behandeln zu lassen. Doch im Juni dieses Jahres ging wirklich alles den Bach runter. Der Tumor kam mit voller Wucht zurück und hat ihren Körper immer mehr geschwächt. Sie entschloss sich keine Chemotherapie mehr zu machen und passive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie wohl ahnte, dass sie nicht mehr lange lebt. Ihr Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Sie hatte nachts Halluzinationen und tagsüber schlief sie durchgehend. Ihre Blutwerte waren katastrophal schlecht und ein Arzt machte den Vorschlag sie auf eine Palliativstation zu bringen, damit man das Problem mit Blutkonserven wieder in den Griff bekommt. Klappte auch vorübergehend, doch Ende Juli kam ein Anruf vom Arzt. Er hat meinem Vater gesagt, dass er schnell kommen soll, da es zu Ende geht. Er kämpfe danach ebenfalls mit den Tränen, aber hatte zum Glück noch die Kraft zu ihr zu fahren. Kurz vor Schluss saßen ihre Eltern am Krankenbett. Ich habe mir sagen lassen, dass sie an dem Morgen sehr laut geatmet hat. Dieses Atmen wurde kurz darauf immer unregelmäßiger, immer langsamer. Genau in dem Moment ist sie gestorben. Vermutlich war es Leberversagen, weil sich auch schon vorher in dem Organ viel Wasser ansammelte. Mein Vater überbrachte mir dann die traurige Nachricht. Ich konnte das nicht fassen und habe es erstmal einem ehemaligen Schulfreund erzählt. Er wusste auch nicht, was er dazu sagen soll und war genauso betroffen wie ich. Danach versuchte ich das zu realisieren, war für mich kaum möglich. Glauben konnte ich das an dem Tag noch nicht.

Eins ist Fakt, es hat hier definitiv die falsche Person getroffen. Meine Mutter war so ein lebensfroher Mensch. Sie hat ihr Leben geliebt und war das komplette Gegenteil von mir. Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen und mit ihr tauschen wollen. Ich wäre viel lieber an dieser Krebserkrankung verreckt, als sie. Sie genoss ihr Leben und ich verschanze mich jedes mal hinter geschlossenen Türen. Das wird sich auch das ganze Leben nicht ändern, dafür kenne ich mich zu gut und ich weiß, dass ich im realen Leben auf Dauer nicht zurecht komme. Es gab auch so Momente mit ihr, die ich nie vergessen kann. Meine Mutter wollte immer, dass ich eine Ausbildung in Vollzeit mache, was ich stets ablehnte. Eben aufgrund der viel zu hohen Belastung. Wollte sie nie akzeptieren und ich war eines Tages so wütend darüber, dass ich zu ihr sagte, du kriegst deine gerechte Strafe. Ich habe damit auf ihr Ende angespielt. Da war sie schon krank. Das sind Sätze, die ich mir nie verzeihen werde und mit denen ich nun immer hadern muss. Wollte so etwas nie zu ihr sagen, aber in meiner Wut flutschte das einfach so aus mir raus. Oder einige Wochen vor ihrem Tod begegneten wir uns nachts im Haus und sie hat mich ziemlich erschreckt. Ich bin dann genervt wieder in mein Zimmer gegangen, weil ich auf sie nicht vorbereitet war. In dem Augenblick hätte ich sie lieber in den Arm nehmen und ihr sagen müssen, wie tapfer sie die letzten Monate war. Die Chance habe ich nun verpasst und es regt mich kolossal auf in dem Moment nicht anders reagiert zu haben. Also ja, das Leben ist einfach scheiße ungerecht und ich will sie wiederhaben. Dass ich sie nie wieder sehe, zerreißt mich innerlich. So richtig begriffen habe ich das nicht. Dauert alles noch.

Der Post sollte ursprünglich in den Salzigen Spucknapf, weil es für mich schon privat ist. Der Zugang wird mir jedoch leider verwehrt. Und nein, ich meine nicht den auf Discord. :-^-:
Mein Beileid. Ich wünsche dir und deiner Familie viel Kraft in dieser schwierigen Zeit. Gottes Segen!

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