Es gibt einen Geschwister-, Eltern-, Whateverthread, also kommt hier der Großelternthread.
Wie sind eure Großeltern? Leben sie noch? Was für'n Verhältnis habt ihr zu denen? Wie sieht denn die Biographie so aus?
Ich hab nur noch eine Oma, die Mutter meiner Mutter, die in ein paar Wochen 85 Jahre wird. Es ist komisch, manchmal könnte man meinen, sie sei absolut Altersdement, aber manchmal ist sie auch hellklar. Sie ist eine zweimal-im-Jahr-gesehen Oma, d.h., wir haben sie früher immer zweimal im Jahr besucht und das war's dann auch. Ich fand sie immer komisch, aber sie hat viel durchgemacht, ist weggelaufen und irgendwie bei meinem Opa gelandet. Den hat sie 1952 geheiratet und sie waren fast 60 Jahre verheiratet, mein Opa ist Ende Juli mit 85 Jahren gestorben. Ich habe ihn nicht mehr besucht, weil er sehr schnell abgebaut hatte. Bei der Beerdigung war ich nicht, weil ich an dem Tag eine Klausur nachgeschrieben hatte, von der ich nie im Leben dachte, dass ich sie bestehen würde. Ich dachte, es bringt ihm nix, wenn ich zugucke, wie ein paar beschissene katholische Dummschwätzer seine Urne rumschleppen, da bin ich lieber ein guter Enkel und bestehe irgendwie die Prüfung und joa … wurde ne 2, ich bin bis heute nicht sicher, wie ich das hinbekommen habe. 95% meiner Mitstudenten waren schlechter. Ich wollte ihn nicht mehr sehen, meine Mutter meinte, er sähe zum ersten Mal aus wie ein richtiger Greis, abgemagert und so. Ich halte ihn lieber in Erinnerung, wie ich kannte, im Sessel sitzend und grinsend. So ein Bild von ihm habe ich mal in eine SchuelerVZ-Gruppe als Gruppenbild gestellt, weil ich sonst nix zur Hand hatte. Weil die Gruppe irgendwann mehr als 10.000 Mitglieder hatte, isser fast noch berühmt geworden …
. Sein stummes Grinsen war wirklich toll, da habe ich mich immer darauf gefreut. Er war kein großer Geschichtenerzähler, aber er hat sehr, sehr gerne gelacht. Die größte Besonderheit an meinem Opa war sein Holzbein. Er war als Soldat in Italien stationiert und ist da mit seiner Truppe mitten in einen Granat- und MG-Hagel hineingerannt. Er hat zig Kugeln abgekriegt und das Bein verloren, es war eine sehr enge Sache. Eine Kugel im Bauch konnte man nie entfernen, die hat er bis zuletzt mit sich herumgetragen. Er hat davon eigentlich nie was erzählt, nur eines, von dem er immer meinte, es sei das grausamste gewesen, was ihm je passiert war: der Reis, den es im Lazarett gab, er hasste Reis nämlich Abgrundtief und die hatte überhaupt nix anderes.
Nunja, die einzige Verbindung, die mein anderer Opa zu ihm hatte, ist, dass der auch nur mit Glück den Krieg überlebt hat. Er war in Russland und mit nur einem verbliebenen Kollegen auf dem Rückzug … naja, eigentlich sind sie nur weggerannt und über Nacht haben sie sich dann in einen älteren Bombenkrater gelegt und gewartet. Als er dann mal austreten musste, ist er weggekrochen, kaum war er draußen, schlug eine weitere Granate in den alten Krater ein und von dem anderen war nix mehr übrig. Er geriet dann in Kriegsgefangenschaft, war aber „nur“ ein paar Monate in Gefangenschaft. Ich musste früher immer darüber nachdenken, wie wohl die Kinder und Enkel von demjenigen gewesen wären, auch wenn ich keinen blassen Schimmer hatte, wer das war. Und natürlich was die Enkel von dem gedacht hätten, wenn's andersrum passiert wäre (konfus). Ihr müsst nicht glauben, dass meine Eltern solche grausigen Storys einfach erzählt haben, aber da mein Opa schon 1992 gestorben ist, wollte ich immer möglichst viel über ihn wissen und das gehörte irgendwie dazu. Ich habe keine Erinnerung an ihn, aber ein noch voll-funktionstüchtiges Bobby-Car und einige Videoaufnahmen von mir (ich bin Jahrgang '89) und ihm, um die ich sehr froh bin. Er hat mich wohl gemocht, find' ich gut. Eigentlich ist er der coolste aus meiner Familie, er war Unternehmer und Erfinder. Seine Firmen hat er alle verkauft, aber einige gab es noch ziemlich lange, z. B.
Rohwedder oder den Automobilzulieferer Weber. Auch wenn das Konzerne sind die hundert Millionen an Umsatz im Jahr mach(t)en, hat euer lieber Forumsgründer leider keine Reichtümer auf seinem Konto, weil mein Opa sein ganzes Vermögen in ein riesiges Haus, Computer und neue Erfindungen investiert hat und es ist exakt gar nix davon übrig geblieben. Nachtürlich denkt man drüber nach, was gewesen wäre, wenn er das gelassen hätte und ich einen Raum voller cooler iMacs und jedes verdammte PS-Spiel auf der Welt hätte, oder sagen wir mal, kein Bafög oder 'nen Nebenjob bräuchte, um zu studieren, aber im Endeffekt ist es gut, weil ich so über reiche Leute lästern kann. Ich könnte zwar als Reicher über Arme Leute lästern, aber das wäre ja asozial.
Eine Oma fehlt noch, über die kann ich aber wenig sagen, weil ich wenig weiß. Sie ist nur vier Monate nach meinem Opa gestorben, meine Mama sagt, sie sei einfach total zerbrochen daran und dann einfach eingeschlafen. Eine Krankheit hatte sie nicht, es war also wohl wirklich irgendwie Liebe, die dazu geführt hat, dass sie nicht mehr wollte, was zwar einerseits nicht weniger traurig, aber immerhin romantisch ist. Meine Oma war Schweizerin, mein Opa hatte eine Schweizer Mama, die auch die Begründerin unseres Familienzweiges ist. Richtig, alle haben einen „Familienbegründer“, wir haben eine BegründerIN, weil meine Urgroßmutter von ihrer Familie und dem Erzeuger meines Opas verstoßen wurde, weil er ein uneheliches Kind war. Sie begründete daher den deutschen Zweig unserer Familie, wir sind auch tatsächlich die einzige deutsche Familie dieses Nachnamens … yeeah! Individualität forthewin.