Ich würde es insgesamt so einschätzen, dass ich mehr Glück als Pech habe, vor allem heutzutage.
Ich fang aber erst mal mit dem Pech an.
Eigentlich lief vom Kindergarten bis zur Grundschule alles gut, ich hatte Freunde und war glücklich. Im Gymnasium wurde ich aber ein paar Jahre lang von einer Person ausgenutzt und immer wieder fertig gemacht und ich hatte nie den Mut, mich zu wehren. Darunter hab ich sehr gelitten und während dieser Zeit war ich psychisch richtig kaputt. Als ich es endlich schaffte, von ihr loszukommen, war ich zwar froh darüber, hatte dann aber auch niemandem mehr und hab mich in der Schule immer einsam und überflüssig gefühlt. Gruppenarbeiten und ähnliches waren für mich furchtbar, weil ich nie wusste, zu wem ich gehen sollte. Es gab zwar kurze Phasen, wo ich meinte, mich wieder mit ein paar Leuten angefreundet zu haben, aber diese Leute interessierten sich bald auch schon nicht mehr für mich und ich war wieder alleine.
Mein Problem war, dass ich nie was an dieser Lage ändern konnte, da ich einfach zu still war und keine neuen Kontakte schließen konnte. Daher würde ich auch meinen Charakter als ein ziemliches Pech bezeichnen, denn ruhige, schüchterne Leute haben es einfach nicht leicht, weil sie nicht gut auf andere zugehen können und sogar in der Schule wird es ihnen durch schlechte mündliche Noten ebenfalls nur noch schwerer gemacht. In den Pausen hab ich immer gesehen, wie andere Spaß zusammen hatten, doch ich fühlte mich wie ausgestoßen (sowieso ist es schwer, in bestehende Gruppen reinzukommen) und dank meines schüchternen und durch die Ausnutzerin verängstigten Charakters war ich eigentlich dazu verdammt, in dieser Lage zu bleiben. Deswegen betrachtete ich mich damals schon als ziemlichen Pechvogel...
Ein anderes Thema: Bei wichtigen Prüfungen hatte ich auch manchmal ziemliches Pech, zum Beispiel beim mündlichen Abi. Ich versteh es einfach nicht, wie ich mich wochenlang so gut vorbereitet habe, so viel Zeit und Arbeit in alles gesteckt habe und mir so sicher war, dass das was wird, doch dann alles anders kam. Die Präsentation lief super und trotzdem erwischte ich so einen strengen Prüfer, dass ich nicht mal die gut schaffbaren 11 Punkte bekam, wodurch ich meinen gewünschten Abischnitt ganz knapp verfehlte.
Auch bei Matheprüfungen hab ich scheinbar desöfteren Pech, unser Mathe-Abi fand ich viel schwerer als die aus den letzen Jahren, die ich alle zuhause schon gemacht hatte, und dementsprechend war meine Note auch nicht so gut, wie ich sie mir erhofft hatte. In der Mathe- und Statistikklausur dieses Jahr hatte ich ebenfalls richtig Pech, irgendwie kam eine für mich schwerere Aufgabe, an der ich mich festgebissen und so viel Zeit verloren hatte, dass ich dann mit dem Rest der Klausur vorne und hinten nicht fertig wurde. Die alten Klausuren, die ich zuhause durchgerechnet habe, liefen viel besser, doch bei der echten Klausur war ich schlecht und wochenlange, mühsame Vorbereitung hat absolut nicht das verdiente Ergebnis erzielt.
Ich denke, das war es aber auch schon mit dem Pech. Wenn ich mir jetzt ansehe, mit wie vielen Sachen im Leben ich Glück habe, denke ich, dass ich eher ein Glückspilz bin.
Erst mal sind ganz grundlegende Dinge zu erwähnen: Die Tatsache, dass ich körperlich sehr gesund bin und in einem schönen Haus wohne, ist für mich absolut nicht selbstverständlich, wenn ich so sehe, wie andere Leute auf der Welt nicht mal ein Dach über den Kopf haben oder schwer krank sind. Ich weiß das sehr zu schätzen, dass ich in solche Verhältnisse reingeboren wurde, und so ein Glück mit meiner Lebenssituation habe, wo wir genug Geld zum Leben haben und es sogar noch für Dinge darüber hinaus reicht. Mit meinem großen, hellen Zimmer, das voller Sachen ist, die ich liebe, hab ich auch besonders Glück, denn ich fühle mich hier einfach nur pudelwohl.
Abgesehen davon bin ich auch mit meinen restlichen Lebensumständen sehr zufrieden, ich meine, ich hab die Möglichkeit, ein tolles Studium zu machen, komme besser mit meinem Charakter klar bzw. bin wenigstens etwas offener geworden, bin jetzt auch mit wesentlich mehr Leuten befreundet als früher und ich fühle mich nicht mehr allein gelassen oder nutzlos. Vor allem habe ich eine langjährige Beziehung mit dem besten Freund, den man sich wünschen kann, und bei dem ich weiß, dass er micht nicht verlassen wird.
Das alles gleicht das Pech, das ich hatte, mehr als aus, und ich sehe mich daher wirklich als Glückspilz.