Im mittlerweile vierten Anlauf und nach 16 Schuljahren (die 11. Klasse hab ich bspw. 4 Mal gemacht und mit "gemacht" meine ich tatsächlich über die volle Länge daran teilgenommen), habe ich nach meiner Mittleren Reife 2012 mit 3,6 endlich einen weiteren Schritt auf der Karriereleiter erklommen und habe endlich meine Fachhochschulreife erlangt.
: Und wie fühlen Sie sich, nachdem Sie nach all den Jahren harter Arbeit, Blut, Schweiß und Tränen endlich das Ziel erreicht haben, über das alle Menschen in ihrem Umfeld längst gesagt haben, dass Sie doch einfach aufhören sollen, sich krampfhaft daran festzuhalten und es immer und immer wieder zu probieren? Beflügelt? Erleichtert? Vom Gefühl des Sieges erfüllt?
: Ehrlich gesagt? Gleichgültig.
Ernsthaft, es ist mir egal. Ich fühle mich nicht befriedigt. Warum ist das so? Naja, das Ergebnis entspricht dem Aufwand nicht. All die ganzen Kopfficks, zehn Jahre des Scheiterns, eine mündliche Prüfung in der ich immer noch daran festhalte, um meinen Abschluss betrogen worden zu sein, eine Beziehung die daran zugrunde gegangen ist, die letzten 2 Jahre in Wiesbaden, wo ich alles hasse und es für mich wie eine einzige Hölle ist, als ob ich Buße für mein Versagen tun müsste. Und wofür? Ein Fachabitur mit 2,7.
Stolz bin ich, wenn überhaupt, auf die Ereignisse der letzten 2 Monate. Vor 2 Monaten war ich aufgrund von Fehlzeiten und miserabler Noten kurz davor, von der Schule zu fliegen. Ich hab mich hochgekämpft, hab innerhalb von 2 Monaten meinen Schnitt von 4,3 auf 2,7 gehoben. Mit 5 Punkten in Bio eine 10 Punkte Klausur geschrieben und ein 13 Punkte Referat gehalten. Mit 2 Punkten in Mathe eine 12 Punkte Klausur geschrieben. Und das während ich die ganze Zeit Vollzeit arbeite. All die Jahre wollte ich lediglich ein Fachabitur, scheiß auf den Schnitt, Hauptsache Abschluss. Aber meine Ziele sollten ganz andere sein.
Ich hab nur sechs Fächer. Deutsch, Englisch, Geschichte, Powi, Mathe, Bio. In den ersten 4 Fächern sollte ich mindestens 12 Punkte haben können. Auch habe ich mir jetzt bewiesen, dass ich niemand bin, der auf Sprache oder Geisteswissenschaft beschränkt ist. Ernsthaft, Mathe ist eigentlich nicht schwer, man muss halt Methoden auswendig lernen, aber die Anwendung derer ist fast nie anspruchsvoll. Und Bio ist immer noch nur Auswendiglernen.
Nächstes Jahr werde ich Abitur machen. Erst dann bin ich befriedigt. Und ich weiß, dass es nicht bei 2,7 bleiben muss. Wenn ich meine Fähigkeiten nüchtern analysiere, ist vielleicht sogar ein 1er-Abi drin, auch wenn es sogar für mich absolut unglaublich klingt, rational betrachtet, ist es aber so.
Und dann wäre es endlich alles vergessen. Die letzten 10 Jahre voller Fehlschläge, Arbeitslosigkeit, Kopfficks, der immer wieder und wieder aufkommenden Enttäuschung meines Umfelds, einfach alles. Dann wird es endlich egal sein, ich muss einfach nur weiter ein letztes Mal durchziehen.
Meinen Job hab ich jedenfalls schon gekündigt, mit Bafög und nem 450-Euro Job komm ich genauso gut über die Runden. Dann hab ich mehr Zeit zum Lernen und vor allem können mir diese fucking Fehlzeiten nicht mehr in die Quere kommen, der Grundstein für den Erfolg ist also schon gelegt.
Und wenn ich es endlich geschafft hab, werden auch Leute kommen, die mir das nicht gönnen, aber sie wissen es nicht wie es ist, 11 Jahre seines Lebens geopfert zu haben. Aber fuck it, ich werd mich an deren Neid ergötzen.