Heute gab es einen Aufreger, bei dem ich nicht mal direkt involviert war, aber ich mich frage, wie man so unfassbar empathielos sein kann.
Die Situation hat sich im Berufsschulunterricht zugetragen. Wir haben in unserer Klasse eine Mitschülerin, die aufgrund einer psychischen Einschränkung nicht unter Druck sprechen kann. Mit anderen Worten: Sie redet in den Pausen völlig normal mit uns, aber wenn sie ein Lehrer auffordert, etwas vorzutragen, entsteht bei ihr eine Hemmung, sodass sie keinen Ton herausbekommt. Das wissen auch alle Lehrer und berücksichtigen das. Trotzdem meint unser Klassenlehrer, sie jede Stunde etwas fragen zu müssen, obwohl klar ist, dass sie nicht antworten möchte bzw. kann. Wenn er keine Antwort bekommt, lässt er allerdings nicht locker und hakt ständig weiter nach. Das geht dann ungefähr so: „Was sagen Sie zur Antwort Ihrer Mitschülerin? [keine Antwort] Können Sie nichts sagen? [keine Antwort] Nee, geht nicht? [keine Antwort] Sie können auch mit dem Kopf schütteln. [keine Antwort] Hm, geht wohl nicht.“ Es ist jedes Mal so - man verzeihe mir den nichtdeutschen Ausdruck - awkward. Die ganze Klasse ist still, man fühlt richtig mit ihr mit, wie es ihr unangenehm ist und er vergeblich versucht, sie zum Sprechen zu bewegen.
Auf die Spitze getrieben hat er es aber heute. Er wollte allen Ernstes, dass sie an die Tafel geht und uns Matheaufgaben vorrechnet. Selbstverständlich hat sie darauf aus Angst nicht reagiert, aber er wollte dann, dass sie die Rechenschritte wenigstens anschreibt und dabei nicht sprechen muss. Auch auf dieses Angebot kam von ihr keine Antwort, sodass er den Bildschirminhalt ihres Monitors auf unsere Rechner übertrug und meinte, sie soll uns dann alles am PC mit Excel vorstellen. Überraschenderweise misslang auch dieses Entgegenkommen, weshalb er ihr eine 6 einschrieb.
Wie kann man nur als Lehrer, der tagtäglich mit behinderten Jugendlichen zu tun hat, mit solchen Methoden agieren? Ihm muss doch klar sein, dass Druck genau der falsche Weg ist. Ich war echt sauer und kurz davor, was zu sagen. Schade, dass ich mich nicht traute. Allerdings bin ich Klassensprecher und wir haben morgen mit unserer stellvertretenden Klassenlehrerin Unterricht, welche ebenfalls nicht das beste Verhältnis zu ihm hat. In der Pause werde ich mich mit ihr darüber unterhalten.
Das Traurige ist ja, dass es sich bei den Matheaufgaben um eine Hausaufgabe handelte und die Mitschülerin alle richtigen Ergebnisse auf ihrem Blatt stehen hatte. Anstatt ihr also zumindest anzubieten, schriftlich abzugeben, knallt er ihr eiskalt ein Ungenügend rein…